Merzig. Puls messen und das richtige Desinfizieren der Hände vor dem Kontakt mit Patienten können die 25 angehenden Pflegefachkräfte schon.
„Auch die Fingerspitzen“, erklärt Nour Elhouda Jebri dem saarländischen Gesundheitsminister Magnus Jung und macht die Handbewegung vor. Am 1. Oktober haben die 20 Jahre alte Tunesierin und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler aus Vietnam, Indien, Syrien und dem Kosovo ihre Ausbildung an der Pflegeakademie Katharine Weißgerber, der neuen Pflegeschule der Christlichen Erwachsenenbildung (CEB), begonnen. Das neue Angebot ist speziell für Personen mit Migrationshintergrund zugeschnitten.
Neben Schule und Betrieb werden sie intensiv von einem Team sozial-integrativ begleitet. Zur offiziellen Einweihung waren neben dem Minister auch Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich, der Merziger Oberbürgermeister Marcus Hoffeld sowie viele der elf Kooperationspartner von Pflegeheimen und Kliniken in die CEB Akademie nach Hilbringen gekommen.
Bundesweit fehlen Pflegekräfte
12 700 Pflegekräfte fehlten bundesweit bis 2030 in Deutschland, wenn nicht gegengesteuert werde, nannte Landrätin Schlegel-Friedrich Zahlen des Pflegereports der Barmer-Krankenkasse. Dabei betreffe der Fachkräftemangel sowohl die Altenpflege als auch Krankenhäuser. Diese seien gezwungen Betten zu schließen, weil Personaluntergrenzen nicht mehr eingehalten werden könnten.
„Wenn wir bis 2030 eine Verbesserung erreichen wollen, müssen wir jetzt Vollgas geben.“ Seit einigen Jahren wirbt die CEB im Ausland um angehende Pflegefachkräfte. Diese wurden bislang immer in den regulären Klassen unterrichtet. „Doch die Schere zwischen den Schülern aus Deutschland und den Auszubildenden aus dem Ausland ging schnell auseinander, sodass wir uns nun das neue Konzept überlegt haben“, sagt CEB-Geschäftsführer Theo Dubois.
Azubis aus aller Welt
Zur Vorbereitung haben alle neuen Pflegeanwärter in ihrem Heimatland schon Deutsch gelernt – Voraussetzung ist das Niveau B1plus. An der Pflegeschule wird der Sprachunterricht weiter fortgesetzt. Damit dafür genug Zeit bleibt, dauert die Ausbildung ein halbes Jahr länger, also 42 Monate. Zum guten Gelingen gehört aber nicht nur das fachliche Wissen: Daher unterstützen die Mitarbeitenden der CEB und der Kooperationspartner – in der Regel sind das Altenpflegeheime, aber auch Krankenhäuser verschiedener Träger – die neuen Schülerinnen und Schüler bei der Integration in die Kultur. „Wir gehen mit zur Kontoeröffnung bei der Sparkasse, erledigen gemeinsam die Behördengänge, helfen bei der Wohnungssuche und der Einrichtung, kümmern uns um Handy- und Internetverträge“, zählt Dubois auf. Dass das Leben in Deutschland anders ist, haben die Azubis schon festgestellt. „In Indien essen wir viel mehr Chili, hier lieben die Leute Süßigkeiten, vor allem Kuchen“, sagt Shruti Sharma.
Die Jüngsten sind 19 Jahre alt, viele, wie Nour Elhouda Jebri, das erste Mal in Deutschland. Mit 44 Jahren ist Marva Alahmad die Älteste in der Klasse. Die Mutter von sechs Kindern floh 2015 mit ihrer Familie vor dem Krieg in Syrien und fand in Mettlach eine neue Heimat, in der sie nun auch beruflich Fuß fassen möchte. „Ich möchte gerne alten Menschen helfen“, sagt Marva Alahmad zu ihrer Motivation. Doch die reguläre Ausbildung habe sie sich nicht zugetraut, aus Angst, unter deutschen Muttersprachlern inhaltlich den Anschluss zu verpassen.
Dauerhaft im Saarland wohlfühlen
„Die Schülerinnen und Schüler hatten den Mut, ihre Heimat zu verlassen. Und ein Wagnis einzugehen. Sie stellen unserer Gesellschaft ihr Talent zur Verfügung. Dafür verpflichten wir uns, unser Bestes zu geben, um sie bei diesem Vorhaben zu begleiten“, sagt der Vorsitzende der CEB Andreas Nikolaus Heinrich und betont: „Wir von der CEB haben uns in dem Bemühen, etwas gegen den Pflegenotstand zu tun, nie von eigenen Interessen leiten lassen. Die geplante Migration von Fachkräften muss immer auch im Interesse der Betroffenen und der Gesellschaften liegen, aus der sie sich lösen.“
Das Gesundheitsministerium unterstützt die Bemühungen der Pflegeakademie. Gesundheitsminister Magnus Jung (SPD) wünscht sich, dass die jungen Leute sich dauerhaft im Saarland wohlfühlen. „Uns muss eines klar sein: Wir stehen ja auch im Wettbewerb mit anderen Regionen in Deutschland und in Europa. Deshalb ist es so wichtig, dass wir sie auch hier integrieren, dass sie hier ein neues Zuhause bei uns im Saarland bekommen“, so Jung.
Nächsten Oktober soll der zweite Jahrgang mit der Ausbildung beginnen, Merzigs Oberbürgermeister Marcus Hoffeld hat bereits geeigneten Wohnraum in Aussicht gestellt. „Interessieren sich viele junge Leute, können wir auch zweizügig fahren“, sagt Heinrich. Bedarf in der deutschen Pflegebranche gibt es in jedem Fall. red./jb