Alle Ausgaben als ePaper im Überblick

Martinskirche ist zurück

Bildunterschrift: Silke Gundacker und Peter Butz halten gemeinsam den Festgottesdienst am Sonntag in Rieschweiler.Foto: Waldow-Noller
Silke Gundacker und Peter Butz halten gemeinsam den Festgottesdienst am Sonntag in Rieschweiler.Foto: Waldow-Noller - (Bild 1 von 1)

Rieschweiler. Die Protestantischen Kirche Rieschweiler erhält ihren alten Namen zurück und wird wieder zur Martinskirche. „Mit dieser Taufe krönen wir das 120-jährige Kirchenjubiläum, das wir am kommenden Sonntag, 25. Mai, feiern“, freut sich Pfarrerin Silke Gundacker. Die designierte Dekanin hält den Festgottesdienst um 10 Uhr gemeinsam mit Dekan Peter Butz. Anschließend gibt es einen großen Empfang im Martin Luther Haus. Die musikalische Gestaltung übernehmen der Posaunenchor der Stadtmission, der Männergesangverein sowie die Chorfreunde. Die Orgel spielt Jan Becker.

Silke Gundacker schwärmt: „Er ist ein so toller Organist, bei ihm wird jeder Gottesdienst zu einem kleinen Konzert.“ Zum Glück für die Kirchengemeinde liebe der Kirchenmusiker die Steinmeyer-Orgel und die Kirche, so dass er jede Woche die Fahrt von Saarbrücken auf sich nimmt. Die Pfarrerin selbst ist ebenso begeistert von dem historischen Gotteshaus. Sie weiß: „Die Rieschweilerer identifizieren sich auf Grund der exponierten Lage sehr mit ihrer Kirche. Sie waren durchweg ganz begeistert von der Idee, sie wieder Martinskirche zu taufen, wie sie bis vor 120 Jahren geheißen hat.“ Das im neugotischen Stil erbaute Gotteshaus mit seinen Spitzbogen-Fenstern prägt mit seiner Lage auf einem Hügel an der Haupkreuzung (heute Kreisel) im Herzen von Rieschweiler unübersehbar das Ortbild für jeden, der dorthin kommt oder durchfährt. Silke Gundacker weiß Einiges über deren interessante Geschichte. Die erste Kirche an dieser Stelle gab es bereits im Mittelalter. Damals hieß sie Martinskirche und verfügte über ein Geläut mit zwei Kirchenglocken. Die Kirche und die größere der beiden Glocken waren im Besitz der Kirchengemeinde, die kleinere gehörte der politischen Gemeinde.

Martinskirchen mehrere hundert Jahre alt

Aus den Schriften des Pfarrers Pfleger ist zu entnehmen, dass die aus dem 12. bis 15. Jahrhundert stammende Martinskirche, wenngleich sie erst 1875 mit einem Kostenaufwand von 1200 Mark innen und außen restauriert worden war, nach der Jahrhundertwende in keinem guten Bauzustand mehr war. Dort heißt es: „Besonders die Balken waren so morsch, dass ein Unglücksfall nicht ausgeschlossen werden konnte.“

Lange schon trug sich die Gemeinde mit dem Bau einer neuen Kirche, zumal das kleine romanisch-gotische Gotteshaus besonders an hohen Feiertagen nicht mehr ausreichte, um alle Gläubigen aufzunehmen. 1905 lebten 638 Menschen in Rieschweiler, darunter 585 ­Protestanten.

Am 11. Januar 1904 konnten die Bauarbeiten bei einem Kostenvorschlag von 62.000 Mark zur Vergabe ausgeschrieben werden. Bereits einen Monat später, im Februar 1904, wurde mit dem Abriss des 700 Jahre alten Kulturdenkmals begonnen, um auf dem gut erhaltenen Turmfundament die neue Kirche zu ­errichten.

Die Hoffnung, das neue Gotteshaus bis 1. November fertig gestellt zu sehen, erfüllte sich nicht. Erst am 28. Mai 1905, fast genau ein Jahr nach der Grundsteinlegung, konnte die neugotische Kirche in einem Festgottesdienst im Beisein des kirchlichen Oberkonsistorialrats Ney aus Speyer sowie des königlichen Bezirksamtmanns Pöhlmann aus Zweibrücken eingeweiht werden. Einem Aufsatz vom Rieschweiler Lehrer Günter Helfrich ist zu entnehmen: Über der Kirchentür eingemeißelt war der Spruch „WIE HEILIG IST DIESE STÄTTE“ (1 Mose 28,17). Die Weiherede knüpfte an Psalm 106.1 an und handelte von dem Segen, welchen das Gotteshaus der Gemeinde bringt, und von den Pflichten, welche die Gemeinde gegenüber dem Gotteshaus zu erfüllen hat.

Zur Innenausstattung gehörten von Anbeginn an ein Altar mit Abendmahl-Relief, die polygonale Kanzel, der Pfarrstuhl und das Kirchengestühl sowie ein sehr schöner Orgelprospekt im neugotischen Stil. Die dazu gehörende Orgel lieferte die Firma G.F. Steinmeyer & Co. aus Öttingen. Das Geläut bestand aus drei Glocken. Eine davon hatte bereits in der alten Martinskirche die Gläubigen zur Andacht gerufen. In den 120 Jahren ihres Bestehen hat die Rieschweiler Kirche zwei Weltkriege erlebt, welche nicht spurlos an ihr vorüber gingen. Im Ersten Weltkrieg wurden im Rahmen der Metallbeschaffungsmaßnahmen die Prospektpfeifen der Orgel sowie die beiden kleineren Glocken beschlagnahmt und am 22. März 1917 abgeholt. Noch ärger traf es die protestantische Kirche Rieschweiler im Zweiten Weltkrieg: Am 30. Dezember 1944 fielen gleich zwei Bomben zwischen Pfarrhaus und Kirche und zerstörten die Nebengebäude.

Sowohl das Pfarrhaus als auch das Gotteshaus erlitten schwere Dach- und Fensterschäden. In der Kirche blieb nicht eines der bunten Glasfenster heil. Auch die Orgel war beschädigt, das halbe Dach abgedeckt, die Türen zersplittert. Zwar wurde die Kirche ab dem Sommer 1945 wieder benutzt, doch dauerte es noch sehr lange, bis die Schäden repariert waren. „Leider fehlte nach dem Krieg das Geld, so dass die bunt bemalten Fenster durch weiße Milchglasscheiben ersetzt wurden“, bedauert Silke Gundacker. Um so mehr freut sie sich, am Sonntag der Martinskirche nach einstimmigem Beschluss des Presbyteriums und Zustimmung des Heimatvereins ihre historische Identität auch im Namen wieder zu geben. cvwn

  • Jetzt teilen:

Eigenen Artikel verfassen Schreiben Sie Ihren eigenen Artikel und veröffentlichen Sie ihn auf wochenspiegelonline.de