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Jetzt bauen: Lohnt sich das überhaupt?

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Bauen? In diesen unsicheren Zeiten? So denken zu jeder Zeit viele angehende Bauherren. Doch spricht aktuell mehr dagegen, das Wagnis Eigenheim anzugehen? Foto: stock.adobe.com/ DanBu.Berlin - (Bild 1 von 5)
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Bau-Boom, randvolle Auftragsbücher, glänzende Einnahmen – aber keinen, der die Arbeit machen kann. Wer heute Bauhandwerker braucht, muss sich auf deutliche Verzögerungen einstellen. Foto: stock.adobe.com/Gina Sanders - (Bild 2 von 5)
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Niedrige Zinsen bedeuten hohe Nachfrage. Hohe Nachfrage bedeutet steigende Preise. Durchschnittliche Immobilien wurden deshalb schon seit Jahren deutlich teurer. Foto: Stock.adobe.com / bilanol - (Bild 3 von 5)
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Umweltschutzvorgaben bekommen immer größeren Raum im Hausbau – und damit natürlich auch in ihrem Anteil an der Gesamtrechnung für ein Haus. Foto: stock.adobe.com / standret - (Bild 4 von 5)
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„Den“ perfekten Zeitpunkt zum Bauen gibt es schlicht nicht. Daher gibt es auch keinen realistischen Grund, es auf die lange Bank zu schieben. Wer sich jetzt ein Haus bei aller gegebenen Vorsicht leisten kann, sollte es tun. Foto: stock.adobe.com / Robert Kneschke - (Bild 5 von 5)

Es ist dieser Tage eine gewisse Seltenheit geworden, was kürzlich in Schiffweiler geschah: Ein Unternehmer erhält die Baugenehmigung für eine Gewerbeimmobilie – in diesem speziellen Fall einen Lebensmittelmarkt.
Das ist nicht etwa deswegen ungewöhnlich, weil keine Baugenehmigungen mehr erteilt würden, sondern weil die Gewerbeimmobilienbranche durch die Pandemie einen ziemlichen Rückschlag erlitten hat. Firmen geht es finanziell schlecht, andere legen geplante (Aus-)Bauprojekte auf Eis, üben sich lieber darin, Finanzen zusammenzuhalten. Und der riesige Trend zum Home-Office lässt, zumindest auf absehbare Zeit, ganze Bürotürme verwaist zurück.
Einen gänzlich anderen Verlauf nahmen Wohnimmobilien. Nicht nur wurden diese durch die Pandemie nicht beeindruckt, der bisherige Anstieg ging sogar munter weiter. Doch es ist nicht einmal so sehr das Virus, das angehende Häuslebauer sich gut überlegen sollten. Es ist eine Reihe von anderen Tatsachen, die hinter der Frage stehen, ob man zeitnah das „Projekt Haus“ in Angriff nehmen sollte.

Das Problem des Fachkräftemangels

Es dürfte wohl nur wenige geben, die nicht wissen, wie sehr Deutschland die Fachkräfte fehlen. Kaum eine Branche ist unbetroffen. Allerdings gibt es Unterschiede, die vor allem angehenden Hausherren bekannt sein sollten:

Niemand hat so großen Fachkräfte-Nachholbedarf wie das Bauhandwerk. Vom Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, über Maurer bis hin zu den Zimmerleuten leiden alle handwerklichen Baubranchen enorm darunter, nicht genügend Leute zu haben.

Anno 2019 berichteten nur 27 Prozent aller am Bau beteiligten Unternehmen, keinen Personalbedarf zu haben. Nur 11 hatten keine Probleme, Leute zu finden – bei jedoch 62 Prozent war das Gegenteil der Fall: Volle Auftragsbücher, leere Stellen. Die potenziellen Folgen für Häuslebauer sind real:

•    Bei zu geringem Personalbestand ist das Risiko groß, dass es Verzögerungen gibt. Und weil beim Hausbau so viele Gewerke aufeinander aufbauen, können sich hier unangenehme Multiplikationseffekte entwickeln, die alles aus dem Zeitplan werfen.
•    Die meisten Bauhandwerksfirmen arbeiten wegen des Booms seit Jahren am Limit. Wer nicht alles aus einer Hand erledigen lassen kann (oder möchte), findet sich mitunter vor einer Situation, wochenlang Firmen zu suchen, aber nur Absagen zu erhalten.
•    Stress und Überarbeitung sind der Grund dafür, warum in den vergangenen Jahren die Zahlen an Baumängeln deutlich anstiegen.

Auch kommen kaum junge Azubis nach und obendrein ist die volle Auftragslage mit ein Grund dafür, warum die Preise so angezogen haben.

2. Die Sache mit der Finanzierung

Ein Eigenheim wird häufig romantisch als „Betongold“ umschrieben. Etwas, das einen Wert hat, der sich kaum in Euros ausdrücken lässt; Etwas, das – Pflege vorausgesetzt – Jahrzehnte klaglos überdauern kann. Just diese Zeiträume sind es jedoch, die in einem nüchterneren Zusammenhang gesehen werden sollten. Klar muss sein, dass es notwendig ist, die Baufinanzierung sehr genau durchzurechnen, viele Faktoren zu beachten – denn im Schnitt hat die Zeit, bis ein Neubau abbezahlt ist, längst die 30-Jahre-Marke überschritten. So lange muss die Finanzierung zu händelbar bleiben.
Doch das ist nur ein Teil der Lage. Die andere: So niedrig die jetzigen Zinsen auch sind – sie sind unsagbar niedrig – so sehr hat dies doch dazu geführt, dass die Nachfrage seit einigen Jahren in ungeahnte Höhen schoss.
Egal ob Bauland, jedes Gewerk oder schlüsselfertige Häuser: Wer heute baut, wird trotz der Mini-Zinsen keine nennenswerte Ersparnis haben. Und das steht unter dem Eindruck, dass das Saarland bei den Quadratmeterpreisen für Bauland das günstigste westdeutsche Bundesland ist.  
Tatsächlich befinden wir uns schon seit einigen Jahren in der paradox anmutenden Situation, dass Bauen so teuer und gleichzeitig so günstig ist wie nie – je nachdem, ob man es von der Zins- oder der Preisseite aus betrachtet.

Die staatlichen Vorgaben

Wer sich auch nur mit dem Gedanken trägt, ein Haus zu errichten, lernt unvermeidlich auch Begriffe wie „KfW-Effizienzhaus 55“ kennen – Häuser, die nach besonders hohen energetischen Standards errichtet wurden, die über das hinausgehen, was der Staat vorschreibt. Dafür bekommen Bauherrn nochmals günstigere Kredite oder Zuschüsse.

Bloß: Schon die staatlichen Mindestvorgaben haben längst dafür gesorgt, dass das Bauen teurer wurde. Natürlich sorgen Dämmungen, Photovoltaik und andere Maßnahmen auf lange Sicht für günstigere Unterhaltskosten; für den Bau Jahre bringt das jedoch nichts. Da müssen Bauherrn sich mehr Geld leihen, um ein Gebäude gemäß den gültigen Normen zu bekommen.
Statt eines Fazits: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wer diesen Artikel bis hierhin durchgelesen hat, kann sich wahrscheinlich des Eindrucks nicht erwehren, dass gerade nicht die Zeit ist, um Baupläne in die Tat umzusetzen. Jetzt, wo alles überhitzt teuer ist und die Handwerker rar sind.
Allerdings stimmt dieser negative Eindruck ganz und gar nicht. Aus einem einzigen, aber zentral wichtigen Grund:

Es gab, gibt und wird nie eine vollkommen
perfekte Zeit geben, um ein Haus zu bauen.


Jetzt sind vielleicht die Zinsen tief und die Preise hoch. Wenn aber irgendwann die Zinsen anziehen, wird sich die Lage nur ins Gegenteil verkehren – wer Anfang der 1970er ein Haus errichten ließ, kam damals mit 120.000 D-Mark vollkommen über die Runden; inflationsbereinigt wären das rund 200.000 Euro und somit ein äußerst günstiges Haus – im Schnitt zahlt man heute gut und gerne das Doppelte.
Nur: Unsere Vorgänger mussten sich Anfang der 1970er diesen Betrag auch zu einem Effektivzins von deutlich über 11 Prozent für zehnjährige Hypotheken leihen.

Tatsächlich ist die jetzige Situation sogar einzigartig gut. Denn noch tiefer können die Zinsen schlicht nicht sinken. Diese Kellerzinsen bedeuten, dass jeder, der jetzt nicht auf jede Nachkommastelle für kurzfristig maximal niedrige Zinsen schaut, sondern darauf achtet, die größtmögliche Zinsbindungsdauer zu wählen, im Angesicht sämtlicher denkbaren Zinssteigerungen einen guten Schnitt machen wird – ganz gleich, ob die Zinsen morgen anziehen oder erst in 15 Jahren.
Hinzu kommen noch einige andere Faktoren, die dazu beitragen, den Wunsch nach einem Eigenheim nicht auf die lange Bank zu schieben:

1.    Wir werden alle nicht jünger. Je länger man wartet, desto mehr verschiebt sich die Abtragungsdauer in Richtung Rentenalter, desto anstrengender wird es, am Bau mitzuhelfen und desto schwieriger wird es auch, sich in einer neuen Lebensumgebung zurechtzufinden. Das sind alles Faktoren, bei denen beinahe jedes Lebensjahr zählt. Erst recht, wenn Kinder geplant sind.

2.    Es mag durchaus sein, dass die jetzigen staatlichen Mindestvorgaben bezüglich der Energetik den Bau verteuern. Aber wohl niemand dürfte ernsthaft annehmen, dass diese Vorgaben jemals wieder gelockert werden. Ende 2020 wurden die Energieeinsparverordnung und weitere Werke zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) zusammengefasst – vorerst noch ohne weitere Änderungen. Nur wurde bereits festgelegt, dass die energetischen Vorgaben des Gesetzes bereits 2023 überprüft werden. Wann die nächste Verschärfung zu erwarten ist, wurde daher bereits klar datiert.

3.    Ebenfalls in naher Zukunft, nämlich 2025, wird die Novellierung des Grundsteuersystems abgeschlossen sein. Jeder, der dann ein baureifes, aber unbebautes Grundstück besitzt, wird mit einer neuen „Grundsteuer C“ deutlich höher als bislang zur Kasse gebeten – auch Grundstückseigentümer, die sich einfach nicht entscheiden konnten, den ersten Spatenstich zu tun.

4.    Auch in der Baubranche ist kaum Besserung zu erwarten. Im Gegenteil: Selbst, falls in den kommenden Jahren, vielleicht wegen Corona, auch der private Immobilienbau ins Stocken gerät, wird dies für zukünftige Bauherrn kein Vorteil sein. Dann werden die Unternehmen zwar mehr Zeit, aber noch weniger Leute haben – neben der Personalknappheit hat das heutige Bauhandwerk nämlich auch mit einer ständig schärfer werdenden Überalterung zu tun. 2019 gab es beispielsweise nur 8438 Auszubildende insgesamt im Maurerhandwerk, nur gingen im gleichen Jahr deutlich mehr alte Maurer in Rente oder den Vorruhestand.

Deshalb hier eine ganz simple Formulierung: Wer jetzt bauen möchte, sollte, wenn alle weiteren Umstände passen, ruhig zusehen, dass er das Projekt in die Planungsphase überführt. Bauen ist immer teuer, ist immer ein finanzielles Wagnis und bis nach dem Einzug von jeder Menge Stress geprägt.

Es wird immer verlockend sein, vielleicht noch ein wenig zu warten, es wird auch immer mahnende Stimmen geben, die dazu raten. Doch wenn alles passt, und damit ist vor allem gemeint, dass Arbeitsplatzsicherheit gegeben sein sollte und man nur so viel Haus erwirbt, wie das eigene Budget es erlaubt, dann sind die weiteren Umstände fast egal. „Heute“ ist immer ein guter Zeitpunkt, um mit dem Hausbau zu beginnen – vor allem dann, wenn die Finanzierung mit einem klaren Blick auf das „Morgen“ geplant wird. Und jetzt bedeutet das nur, die Zinsen so lange wie möglich festschreiben zu lassen.

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