Merzig. Dass die effektive Bewältigung von Schmerz für viele Menschen ein drängendes Thema ist, machte allein schon die große Zahl an Zuhörern deutlich: Mehr als 60 Interessierte waren zum Vortrag „Albtraum chronische Schmerzen – was kann ich selbst tun?“ des Neurologen Professor Dr. Matthias Strittmatter im Klinikum Merzig gekommen. Strittmatter leitet als Chefarzt der Neurologie dort seit vielen Jahren die Schmerzklinik.
„Wer von Ihnen hat schon einmal Rückenschmerzen gehabt?“ Gefühlte 80 Prozent der Anwesenden hoben die Hand. Diese Zahl spiegele auch die bundesweiten Statistiken wider, bestätigt Strittmatter, der auch sein „Schmerz“-Team zum Vortrag mitgebracht hatte: „Pain Nurse“ Sabine Rauch-Erbel, Physiotherapeutin Carmen Drexler und Barbara Grün, Stationsärztin der Schmerzklinik. Aus gutem Grund: „Schmerztherapie ist eine multimodale Therapie, das bedeutet, sie setzt an vielen verschiedenen Stellen an. Deshalb braucht es ein interdisziplinäres Team“, erläutert der Chefarzt.
In den meisten Fällen von Rückenschmerzen kann keine ursächliche organische Ursache festgestellt werden; laut Strittmatter handelt es sich um einen sogenannten unspezifischen oder idiopathischen Rückenschmerz. Der kann durch verschiedene Faktoren verstärkt werden.
Ein Risikofaktor ist beispielsweise ein höheres Alter, aber auch belastende Probleme und Stress können eine Rolle spielen. Darüber hinaus: „Einen Faktor, darf man niemals unterschätzen: die Angst“, weiß Strittmatter.
Angst sei eine der wichtigsten Ursachen für die Chronifizierung von Schmerzen, so der Facharzt weiter. Sie bewirke eine Vermeidung von Bewegung und verleite zu Passivität. „Und hier beginnt der Teufelskreis“, ergänzt Stationsärztin Grün.
Deshalb müsse man immer auch fragen: Was braucht die Psyche? Von entscheidender Bedeutung sei daher der Weg, wie ein Patient aus der Passivität wieder ins aktive Bewegen kommt. Hier kann eine Physiotherapie viel bewirken. Sie kann falsche Bewegungsmuster erkennen und individuell korrigieren oder dem Patienten zeigen, wie er vernachlässigte Muskelgruppen stärken kann, um eine ausgeglichenere Haltung zu erreichen. Die Experten ließen beim Vortrag viel Raum für Fragen und Diskussionen. Studien hätten übrigens ergeben, so Strittmatter, dass bei chronischen Schmerzen intensive Behandlungscluster, wie sie in seiner Schmerzklinik angewendet werden, oft effektiver sind als eine tröpfchenweise durchgeführte ambulante Behandlung.
Eines sei auf jeden Fall ganz wichtig: „Der alte Spruch, „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, ist mit Sicherheit Quatsch. Schmerz muss behandelt werden, und zwar mit den richtigen Medikamenten und in ausreichender Dosierung, bevor er chronisch wird. In der Schmerzklinik erleben wir oft, dass ein akuter Schmerz zu spät und zu niedrig dosiert behandelt wird“, gab Strittmatter seinen Zuhörern mit auf den Nachhauseweg. red./jb