Zweibrücken. Aus Zweibrücken sind, über den Bayerischen König Maximilian I. Joseph aus dem Hause Wittelsbach hinaus, eine Vielzahl bedeutender und einflussreicher Persönlichkeiten hervorgegangen. Eine von ihnen ist der Privatgelehrte und Vortragsredner Alfred Schuler (1865-1923). Dem gelehrten Zweibrücker, der über Jahrzehnte hinweg die Werke seiner berühmten Zeitgenossen im Münchner Stadtteil Schwabing inspirierte und prägte, hat Bernd Kaufmann sein neuestes Buch „Ein Pfälzer in Wahnmoching“ gewidmet.
Aufmerksam geworden auf den hoch interessanten Altertumsforscher Alfred Schuler wurde der Zweibrücker Autor durch die Biografie des außergewöhnlichen Dichters Stefan George von Jürgen Egyptien, die ihn sehr faszinierte. Der Bezug nach Zweibrücken ließ in dem 71-jährigen, unter anderem für seine regionalen Historienromane bekannten, Schriftsteller den Entschluss reifen, dessen Wirken in München und darüber hinaus in einer Novelle zu würdigen. Bernd Kaufmann erinnert: „München war an dem Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert neben Berlin die Kulturhauptstadt des Deutschen Reiches. Hier lebten die Brüder Thomas und Heinrich Mann, hier wurde die Zeitschrift Simplicissimus herausgegeben mit Beiträgen der bedeutendsten Deutschen Federn“. „Wahnmoching“ - so wird der Münchner Stadtteil Schwabing von Eingeweihten genannt – war zu dieser Zeit der Schmelztigel der dortigen Bohème. Im Zentrum: Stefan George. „Er stammte aus Bingen und fühlte sich Schuler durch die Nähe zur Pfalz verbunden“, erklärt Bernd Kaufmann das Einstiegskapitel, in dem sich beide bei einem Vortrag von Alfred Schuler erstmals begegnen. Alfred Schuler ist, da sein Vater ans Oberlandesgericht versetzt wurde, in Zweibrücken aufgewachsen. „Schuler hat das Herzog-Wolfgang-Gymnasium besucht und hier Abitur gemacht“, stellt der Autor den lokalen Bezug her. Um Rechtswissenschaften und Archäologie zu studieren, zog er nach dem Tod des Vaters mit seiner Mutter nach Schwabing, wo er und Stefan George einander vorgestellt werden. Während die beiden Hauptfiguren mit ihren korrekten Namen benannt werden, hat Bernd Kaufmann, den Bogen ins Fiktive schlagend, seinen übrigen Protagonisten Phantasienamen gegeben. „Hinter allen stehen wahrhaftige Persönlichkeiten aus dem Umfeld der beiden, die wirklich gelebt haben. Sie heißen im Buch nur anders“, stellt er klar. Dr. Jammer (Ludwig Klages) oder Dr. Morneweg (Karl Wolfskehl) stammten ebenso aus dem von Alfred Schuler begründeten „Kreis der Kosmiker“, wie etwa Hanni von Torgelow (Franziska von Rewentlow). Auch die in 17 Kapiteln beschriebenen, wahrhaftigen Anekdoten hat Bernd Kaufmann gründlich recherchiert und als Grundlage für sein Werk ausgewählt. Lediglich die Settings seien erfunden.
Skurrile und kuriose Ideen von Alfred Schuler
Alfred Schuler und Stefan George finden in gegenseitiger Hochachtung voreinander, auf Anhieb Gefallen aneinander. „Sie waren beide ihrer Zeit weit voraus und in ihrem Denken ‚nicht von dieser Welt‘“, beschreibt Bernd Kaufmann die Verbindung. Eine Einschätzung, welche die geneigte Leserschaft unter anderem aus den zitierten Gedichten entnehmen kann. Er skizziert das Weltbild und die teils skurrilen, teils kuriosen Ideen von Alfred Schuler als Seher, Gnostiker, Mystagoge und Visionär in dessen philosophischen Ausführungen in dem „Kosmischen Kreis“ der „Electi“. Diese „Auserwählten“ rund um Stefan George gründeten eine „Vereinigung Gleichgesinnter, in der wir uns regelmäßig austauschen und gegenseitig befruchten“. Die Gesprächspartner mussten einen „Sinn fürs Höhere, für mystische Sphären, für übersinnliche Gedankenläufe“ haben. Nicht nur vor ihnen entwickelt Alfred Schuler seine Theorie der „Blutleuchte“ als „Wiedergeburt der besonderen Form metaphysischen Denkens“, die er als Lebensziel in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellte, symbolisiert durch die Swastika (gleischenkeliges Kreuz mit vier gleichen, abgewinkelten Armen). Er selbst hielt sich für einen wiedergeborenen Römer und so führt ein Kapitel an besondere Orte in der Italienischen Hauptstadt.
Der Privatgelehrte selbst war zudem dem Parapsychologischen und Okkultismus zugeneigt, wie nicht nur seine Begegnung mit Freimaurer-Kreisen oder die spiritistischen Séancen mit einem Medium, welches längst Verstorbene befragt, beweisen. Eine zentrale Rolle spielt der rege Austausch mit dem französischen Okkultisten und Schriftsteller Papus.
Unterhaltsame und kurzweilige Lektüre
Trotz der durchaus anspruchsvollen Thesen Alfred Schulers ist das 103-seitige Büchlein unterhaltsam zu lesen. Die einzelnen, meist eher kurzen, Kapitel mit ihren darin erörterten Begebenheiten, Szenen oder Gedankengänge sind, wenngleich durch das rote Band der Zeitchronologie miteinander verbunden, durchaus in sich geschlossen. Wortmalerisch sowie durch die Anlehnung seiner Sprache an die damalige Zeit, nimmt Bernd Kaufmann seine Leserschaft mit in das Leben und Wirken des Zweibrückers Alfred Schuler und die damaligen Gesellschaft. Bei allem philosophischen Tiefgang, betrachtet er sein Werk durchaus mit einem humorvollen Augenzwinkern. So lautet dessen Untertitel „Nicht für Lateiner“. „Die Volksgattung ‚Lateiner‘ gibt es gar nicht“, erklärt der Autor seine humoristische Floskel. „Ein Pfälzer in Wahnmoching“ sei eben ein Buch für alle. Im letzten Kapitel zeigt er noch einmal den enormen, wenngleich von diesem gewiss unlieben, auf jeden Fall ihm unbewussten, Einfluss auf, den der Zweibrücker Alfred Schuler auf die Deutsche Geschichte nahm. In einem seiner Vorträge über die Swastika kritzelte einer seiner Zuhörer das antike Heilssymbol, mit geschärften Kanten und um ein Viertel verdreht, in sein Heft: Adolf Hitler.
Auf einen Blick
Bernd Kaufmann „Ein Pfälzer in Wahnmoching“, Broschur, 103 Seiten, erschienen im Verlag Regionalkultur, ISBN 978-3-95505-519-6, 14,90 Euro.








