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Ein Ort des Schreckens

Bildunterschrift: Am Ende der Exkursion legte die Teilnehmer weiße Rosen an der Erinnerungsstätte ab.Foto: M. Silvanus
Am Ende der Exkursion legte die Teilnehmer weiße Rosen an der Erinnerungsstätte ab.Foto: M. Silvanus - (Bild 1 von 1)

Rehlingen-Siersburg. Feuchte Kälte und zerrissene Nebel-Schwaden lagen über dem lothringischen Hügelland bei der kleinen Stadt Boulay, als eine Gruppe von rund 20 Personen die Stätte des relativ wenig bekannten Kriegsgefangenenlagers Ban-Sain-Jean nahe des Ortes Denting besuchte.

Organisiert hatte diese Fahrt das Aktionsbündnis für Erinnerungsarbeit Rehlingen-Siersburg (Bündnis für Toleranz und Menschlichkeit) unter Federführung von Dr. Werner Klemm.

In diesem Lager waren in den Jahren von 1941 bis 1944 durch das nationalsozialistische Regime mehr als 300 000 sowjetische, dabei überwiegend ukrainische Kriegsgefangene interniert worden.

Am ehemaligen Bahnhof von Boulay wurden die Teilnehmer von Monsieur Gabriel Becker empfangen., Sekretär der Association Franco-Ukrainienne, die die Erinnerung an diesen Ort des Grauens wach hält.

Als fachkundiger Kenner schilderte er ausführlich mit eindrucksvollen Worten die Geschichte des Lagers und das Schicksal der hierhin verschleppten Menschen.

An diesem Bahnhof, so berichtete Monsieur Becker, kamen auch die gefangenen Soldaten aus Osteuropa nach tagelanger Fahrt, eingesperrt in Viehwagen und ohne Nahrung oder Wasser in erbarmungswürdigem Zustand an. Schon auf den Transporten starben mehr als 2 000 von ihnen, verhungert oder verdurstet. Ihre Leichen wurden auf einem nahegelegenen, entweihten jüdischen Friedhof verscharrt, schilderte Gabriel Becker in bewegender Weise.

Wer körperlich noch in der Lage war, habe musste sich auf einen fünf Kilometer langen Marsch in das Stammlager Ban-Saint-Jean, auf einer Anhöhe über Boulay gelegen, machen müssen. Von dort seien die arbeitsfähigen Männer als Zwangsarbeiter in saarländischen und lothringischen Stahlwerken sowie in Steinkohlegruben des Warndts eingesetzt worden. Wer als Knecht einem der Bauernhöfe der Umgebung zugewiesen worden sei, habe immerhin die Aussicht gehabt, wenigsten annähernd ausreichend zu essen zu bekommen..

Es ist dokumentiert, dass aufgrund der leid- und qualvollen Lebens- und Arbeitsbedingungen täglich etwa 150 Menschen starben. Nach Kriegsende wurden in Massengräbern innerhalb des Lagers die Überreste von mehr als 22 000 an Unterernährung und Seuchen Verstorbenen gefunden.

Zur Erinnerung an die meist unbekannten Opfer wurde 2014 ein Denkmal aus dem gelben Stein von Jaumont errichtet, so informierte Monsieur Becker. Vom Parkplatz aus erreicht man diese Stele über einen Weg, an dessen Rand auf Tafeln mit alten Fotos und Dokumenten die Geschichte des Lagers in mehreren Sprachen belegt wird.

In einer geradezu unwirklichen Szenerie ragen im Hintergrund gespenstisch die Ruinen der ehemaligen Kasernen über die Baumwipfel; morbide Zeugen an einem Ort des Schreckens.

Am Ende der Exkursion legten die Teilnehmer weiße Rosen an der Erinnerungsstätte ab. Schließlich bedankte sich Dr. Werner Klemm bei Monsieur Gabriel Becker und überreichte ihm einen Spendenbetrag zur Förderung der Vereinigung zur Bewahrung des Gedenkortes Ban-Saint-Jean. Das Aktionsbündnis bedankt sich bei Dr. Werner Klemm für die perfekte Organisation dieser Fahrt. red./jb

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