Mandelbachtal. Aufführungen von „Annes Kampf“ in Mandelbachtal bewegte die zahlreichen Zuschauer und machte betroffen. Mit einem ernsten Thema beschäftigte sich die Aufführung „Annes Kampf“, die am vergangenen Donnerstag gleich zweimal in Mandelbachtal zu sehen war.
80 Jahre ist es in diesem Jahr her, dass sich das jüdische Mädchen Anne Frank mit ihrer Familie in einem Hinterhaus in Amsterdam vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten verstecken musste.
Der Verkehrsverein Mandelbachtal hatte auf Initiative ihres Vorsitzenden Manfred Pfeiffer deshalb die Kabarettistin und Sängerin Marianne Blum und den Schauspieler Thomas Linke aus Berlin in die Saarpfalzhalle in Ommersheim zu einem Literaturabend der Extraklasse eingeladen.
Selten sind wohl Geschichte und Schicksale schärfer aufeinandergeprallt als in den Personen von Anne Frank und Adolf Hitler. Hier das junge jüdische Mädchen, das das Grauen des Alltags im Dritten Reich und die Verfolgung der Juden so eindringlich in ihrem schmalen Tagebuch niedergeschrieben hat, dort "Mein Kampf", das vor Allmachtfantasien und Hass strotzende Machwerk Adolf Hitlers.
Aus beiden Werken wurde bei der Aufführung von „Annes Kampf“ in Ommersheim lebendig zitiert. Die Kabarettistin und Sängerin Marianne Blum und Schauspieler Thomas Linke konfrontierten in den beiden Aufführungen die Zuhörer in einer szenischen Lesung vielleicht bekanntesten Texte aus der Zeit des deutschen Faschismus im Dritten Reich (1933 bis 1945).
Morgens wurde das Stück für die rund 120 Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klassen der Gemeinschaftsschule Mandelbachtal in Ommersheim aufgeführt, am Abend in einer öffentlichen Vorführung für die Bevölkerung. Der Einladung am Abend waren ebenfalls nochmal über 100 Besucher gefolgt.
Auch Mandelbachtaler Bürgermeisterin Maria Vermeulen und der ehemalige Bürgermeister Herbert Keßler ließen es sich nehmen die Veranstaltung in Ommersheim zu besuchen.
In ihrem Tagebuch, geschrieben in den Jahren 1942 bis 1944 von Anne Frank, beschreibt das jüdischen Mädchens die Geschehnisse, als es sich zusammen mit seiner Familie in einem Hinterhaus vor den Schergen der Nazis versteckt und am Ende doch verraten, entdeckt und ermordet wird.
Das Tagebuch wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wiedergefunden, veröffentlicht und in über 70 Sprachen übersetzt und in einer Gesamtauflage von mehr als 30 Millionen Exemplaren verkauft. Die zwei Bände von Hitlers Kampf- und Propagandaschrift "Mein Kampf" kamen 1925 und 1926 erstmals heraus und wurden bis 1944 in einer Auflage von elf Millionen Exemplaren als regelrechte Pflichtlektüre unter die Deutschen verteilt und verkauft.
In „Mein Kampf“ verklärte Hitler nicht nur schwülstig seinen eigenen Werdegang, er konfrontierte seine Leser auch mit seinem wirrem politischen Programm, in dessen Mittelpunkt sein abstruser Rassenwahn stand, in dem er die Juden zu den Verursachern alles Elends in dieser Welt erklärte.
Erschreckend, dass sich diese Schundliteratur auch heute noch in arabischen Ländern, in den USA, in Kroatien, Russland und Indien gut verkauft. Seit ein paar Jahren kann man das Buch auch wieder in Deutschland erwerben, allerdings nur als kommentierte Ausgabe, in der die Ausführungen Hitlers bewertet und historisch und wissenschaftlich eingeordnet werden.
Marianne Blum verstand es am Donnerstag hervorragend die niedergeschriebenen Gedanken des jungen Mädchens, das sich in der Zeit zwischen seinem 13. und 15. Lebensjahr zusammen mit seiner Familie in einem Versteck in Amsterdam verbergen musste, so lebendig vorzutragen, dass man die kleine Anne regelrecht vor sich sehen konnte.
So wurde Anne für die Zuschauer wieder lebendig, als sie ängstlich beschrieb, wie die jüdische Bevölkerung in Amsterdam immer größerer Repressalien der Nazis ausgesetzt waren und wie sie schließlich zusammengetrieben und in die Vernichtungslager abtransportiert wurden.
Diesen Ausführungen setzte Thomas Linke erschreckend authentisch die oft unerträglichen Hasstiraden von Adolf Hitler aus „Mein Kampf“ entgegen. Oftmals viel es den Zuhörern schwer, den gewaltverherrlichenden und hasserfüllten Ausführungen zu folgen.
So prallten die reflektierten, hoffnungsvollen und zum Teil sogar heiteren Ausführungen des jungen Mädchens mit dem eigenen Schicksal und dem der vielen Opfer des Nationalsozialismus auf die todbringende, aus Frustration und Hass zusammen gebastelte Rassentheorie eines Mannes, die in Wortwahl und Gedankengut erschreckend real war.
Etwa wenn Anne sich darüber Gedanken machte, wo und wie die im Hinterhaus Versteckten ihre täglichen Waschungen vollziehen, während Hitler verächtlich und voller Hass über die jüdische Schmutzrasse räsoniert.
Marianne Blum unterbrach ihrer Lesung mehrmals mit jiddischen Liedern, die in den Ghettos und Konzentrationslagern entstanden waren und mit Schlagern der Sängerin Zarah Leander wie „Davon geht die Welt nicht unter“, die aus der Feder jüdischer Komponisten stammten.
Das Stück endete mit den letzten Eintragungen von Anne Frank in ihrem Tagebuch 1944. Nachdem die Familie Frank verraten worden war und sie in das Konzentrationslager Bergen-Belsen verschleppt worden waren, verstarb Anne Frank dort 1945 im Alter von 16 Jahren.
Sichtlich mitgenommen waren die Zuhörerinnen und Zuhörer bei beiden Aufführen. Schon in der Pause sprach und diskutierte man auf den Gängen und vor der Halle lebhaft über das bis dahin Gesehene.
So wurde sowohl am Morgen von den Schülern als auch am Abend dankbar das Angebot angenommen, nach dem Stück noch mit den beiden Darstellern zu diskutieren. So konnte das Gesehene und Gehörte nochmals erörtert und besprochen werden. Keiner der Zuhörer verließ die Veranstaltung früher, es war erkennbar das alle sichtbar mitgenommen oder beeindruckt waren...
So wurden die beiden Aufführungen nicht nur zu einem aufregenden Geschichtsunterricht sondern auch zu einem leidenschaftlichen Plädoyer gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit von erschreckender Aktualität.
Die beiden Veranstaltungen des Verkehrsvereins Mandelbachtal wurden aus Mittel des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ finanziert. Sie entstanden in Zusammenarbeit mit dem Saarpfalz-Kreis, dem Adolf-Bender-Zentrum und der Gemeinschaftsschule Mandelbachtal.
Unser Leserreporter Manfred Pfeiffer aus Mandelbachtal