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70 Jahre Landfrauenverein

Bildunterschrift: Die geehrten Hengstbacher Landfrauen mit ihrer Vorsitzenden Sandra Wolf (links), der Kreisverbandsvorsitzenden Heike Bißbort (3.v.l.), der Landesverbandspräsidentin Isabel Steinhauer-Theis (2.v.r.) und Vorstandmitglied und zuständig für Finanzen, Martina Lauer (rechts). Foto: Heil
Die geehrten Hengstbacher Landfrauen mit ihrer Vorsitzenden Sandra Wolf (links), der Kreisverbandsvorsitzenden Heike Bißbort (3.v.l.), der Landesverbandspräsidentin Isabel Steinhauer-Theis (2.v.r.) und Vorstandmitglied und zuständig für Finanzen, Martina Lauer (rechts). Foto: Heil - (Bild 1 von 1)

Hengstbach. Hans Baumann kann sich noch lebhaft an das Jahr 1954 erinnern. „Ich glaube, ich bin hier heute einer der wenigen, der das von sich behaupten kann“, sagte er beim Jubiläumsfest des Hengstbacher Landfrauenvereins. Der Vorsitzende der Obst- und Gartenbauer hatte ein kleines Grußwort vorbereitet, in dem er auch an die besonderen Umstände im Gründungsjahr erinnerte. „Als damals die Fußball-WM gewonnen wurde, war die Dorfgaststätte voller Männer – nicht eine einzige Frau, das weiß ich noch“, erzählte er. „Ja, wir lebten damals in einer Männergesellschaft – ob bei der WM, im Gesangverein, beim OGV, Sportverein, im Ortsbeirat oder beim Frühschoppen – alles nur Männer“, blickte er auf diese Zeit zurück. Umso beeindruckender findet Baumann, dass einige engagierte Frauen den Mut hatten, ihren eigenen Verein zu gründen.

Von einer reinen Männerdomäne in den Vereinen sprach auch die jetzige Kreisverbandsvorsitzende Heike Bißbort. Die Frauen auf dem Land waren in der Nachkriegszeit besonders betroffen von den Umständen – und begierig auf Verbesserung ihrer Bildung und Lebensbedingungen. „Landfrau zu sein bedeutete für die Frauen damals nicht nur gesellig sein, sondern Selbständigkeit. Ein hohes Gut, das die Frauen in jener Zeit erlangten“, betonte die Kreisverbandsvorsitzende. Das Thema Selbständigkeit sei heute übrigens wieder aktueller denn je, sagte sie und erläuterte: „Derzeit befänden sich die Landfrauenvereine in einem Umstrukturierungsprozess. (Anmerkung der Redaktion: Bis Jahresende müssen sich der Kreisverband Südwestpfalz sowie die einzelnen Ortsvereine eine neue Satzung geben und neu gründen. Hengstbach war einer der ersten Landfrauenvereine, der diesen Schritt schon gegangen ist, und sich der Herausforderung Satzung und Neugründung gestellt hat).

„Die Gründung eines eigenen Vereins war für die Frauen damals die Gelegenheit, endlich mal rauszukommen und über den Tellerrand zu blicken“, erinnerte Ortsvorsteher Aaron Holaus. „Diese Vision von Gemeinschaft und Kreativität war der Grundstein für das, was heute ein wichtiger Teil unserer Dorfgemeinschaft ist“, betonte er. Umso mehr freue es ihn, dass die Landfrauen mit der Zeit gegangen seien und sprach von einer beeindruckenden Vielfalt an Angeboten. „Am begehrtesten sind, glaube ich, immer die Veranstaltungen, bei denen es ums gemütliche Beisammensein geht und es etwas Gutes zu essen und zu trinken gibt. Dann ist der Abend perfekt“, resümierte er und richtete sein Wort direkt an die Landfrauen: „Ihr tragt dazu bei, dass alte Traditionen und Rezepte lebendig bleiben – und versucht immer, auch junge Frauen zu begeistern. Dass beim Männerkochen im Sommer gerne der Spieß umgedreht wird und die Männer ihre Frauen bekochen – ich war selbst dabei – finde ich übrigens ganz großartig.“

Die Landfrauen seien aber nicht nur mit ihren Kursen aktiv, sondern auch bei den Festen im Dorf eine sehr große Hilfe. Sei es beim Blütenfest, bei der Kerb oder beim anstehenden Adventsmarkt mit ihrem reichhaltigen Essensangebot. „Kurz gesagt: Ihr seid eine wichtige Stütze im Ort uns aus dem Ortsgeschehen nicht mehr wegzudenken.“ Als Geburtstagsgeschenk hatte er eine Kleinigkeit aus dem Vorortbudget mitgebracht.

Die Glückwünsche des Landesverbandes überbrachte die Präsidentin Isabel Steinhauer-Theis. Es sei ihr eine Ehre, vor so tollen und engagierten Landfrauen sprechen zu dürfen, deren Verein übrigens zu den ersten Landfrauenvereinen in der West- und Südwestpfalz zähle. „In diesen sieben Jahrzehnten habt ihr unermüdlich gewirkt, den ländlichen Raum mitgestaltet und dabei auch ein Stück Geschichte geschrieben“, sagte sie. „Ihr setzt euch ein für Frauen und für das Dorfleben insgesamt. Ihr zeigt, was möglich ist, wenn Menschen mit Ideen und Tatkraft zusammenkommen.“

Die Präsidentin erinnerte aber auch an die großen Herausforderungen, denen sich die Landfrauen insgesamt stellen müssen: Weltweite Unruhen, Klimakrise, Digitalisierung, Nutzung der Künstlichen Intelligenz und die Bereitschaft, ehrenamtliches Engagement in den Vereinen zu übernehmen. „Ist Ehrenamt überhaupt noch modern? Gerade für uns Frauen mit Familie, Job und Ehrenamt stellt sich doch die Frage, wie wir das alles unter einen Hut bringen. Ich denke, Ehrenamt ist überhaupt nur dann noch zu leisten, wenn man die richtige Balance findet“, ist die Kreisverbandspräsidentin überzeugt. Im Übrigen seien die Landfrauen von zentraler Bedeutung für das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Menschen vor Ort. „Wir haben viele Bildungsangebote und mit deutschlandweit über 450 000 Landfrauen eine hervorragende Netzwerkarbeit. Außerdem bieten wir viele kulturelle Veranstaltungen und leisten hier gesellschaftliches Engagement, was zur Stabilität des ländlichen Raums beiträgt. Und das Schöne ist, wir Landfrauen werden auch gebraucht, das merke ich immer wieder.“

„Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern“, zitierte sie am Ende ein afrikanisches Sprichwort. Als Geschenk hatte die Präsidentin einen Kurs dabei – das heißt, der Landesverband übernimmt die Kosten für die Kursleiterin.

Das Jubiläum im festlich geschmückten Gemeindesaal Hengstbach begleitete eine kleine Formation des Gemischten Chors Hengstbach mit ihrer Leiterin Christine Gölzer. Lea Lauer animierte die Gäste während des Nachmittagskaffees zudem zum gemeinsamen Bingospiel mit „unglaublichen“ Gewinnen.

Ehrungen:

70 Jahre: Irma Knecht

40 Jahre: Sonja Scharfenberger, Agathe Bärmann, Wilma Wannenmacher, Erika Knerr

30 Jahre: Martina Christ, Maria Heßler, Hiltrud Simmet, Ulla Wolf, Rita Rinsche, Christa Theis

25 Jahre: Margot Forster, Helga Epstein, Martina Janz-Gulich und Sigrid Bohn

Infobox Zum Verein

Vor 70 Jahren, am 1. April 1954, gründeten acht Frauen um Irma Knecht mit Unterstützung der damaligen Kreisverbandsvorsitzenden Frau Müller vom Wahlerhof den Landfrauenverein Hengstbach. Noch im Gründungsjahr verdoppelte sich die Mitgliederzahl und stieg in den Folgejahren auf über 60. „Damals war es für Frauen nicht so leicht, dem Alltag zu entfliehen. Die Zusammenkünfte im Landfrauenverein waren eine willkommene Abwechslung und darüber hinaus eine Tätigkeit, die zur Frauenbewegung in Hengstbach beitrug“, sagt die heutige Vorsitzende Sandra Wolf. „Die Frauen hatten mit dem Landfrauenverein die Möglichkeit geschaffen, sich weiterzubilden, Vorträgen zu lauschen sowie Ausflüge oder eine Besichtigungstour außerhalb Hengstbachs zu unternehmen.“

Heute sei es ungleich schwieriger, das Interesse an einem Verein wachzuhalten oder sogar das Engagement zu fördern. „Da ist es schon ein Erfolg, wenn unsere Kurse und Vorträge von einem guten Drittel der Mitglieder regelmäßig besucht werden“, betont die Vorsitzende, die sich freut, dass sich der Verein in den letzten Jahren sehr verjüngt hat. Aktuell zählt der Landfrauenverein 69 Mitglieder, das jüngste ist 27, das älteste mit Gründungsmitglied Irma Knecht 93 Jahre alt.

Der Verein hofft, dass es ihm weiterhin gelingt, mit seinen Angeboten neue Mitglieder zu gewinnen und die lieb gewonnen Mitglieder zu halten. „Dafür wird das Vorstandsteam seine ganze Kraft einsetzen“, versichert Sandra Wolf. ebh

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